Schönborn will Erzdiözese Wien neu strukturieren

Das ist wahrscheinlich der größte strukturelle Umbau in der Erzdiözese Wien seit Kaiser Joseph II., also seit 200 Jahren." Mit diesen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn Mittwoch Abend (19. September 2012) eine völlig überraschend angesetzte Erklärung zu einer tief gehenden Strukturreform seiner Diözese eingeleitet.

Kardinal Christoph Schönborn hat seine Pläne für den Umbau seiner Erzdiözese Wien vorgestellt. Demnach sollen mehrere Pfarren zusammengelegt werden und aus mehreren kleinen Gemeinden bestehen.
Kardinal hofft auf "administrative Entlastung". Die Leitung der Pfarre wird prinzipiell gemeinschaftlich wahrgenommen und zwar von Priestern und Laien. Die "Filialgemeinden" werden "von Getauften und Gefirmten" ehrenamtlich geleitet, so Schönborn. Durch die Schaffung großflächiger Pfarrgemeinden könnten sich Priester und Laien vermehrt der missionarischen Arbeit sowie der Seelsorge zuwenden, sagte er vor dem Medienempfang zu Journalisten.

Seit mehreren Jahren arbeitet die Erzdiözese Wien bereits an den Plänen zum Umbau, nun hat die sogenannte Steuerungsgruppe die konkreten Vorgaben veröffentlicht. Grund dafür sind laut Schönborn sowohl der Rückgang an Katholiken als auch der Priester. "Der Erneuerungsprozess setzt Strukturen voraus, die der heutigen Zeit angepasst sind", so der Kardinal.

Der Kardinal ahnt um die Schwierigkeiten bei der Umsetzung seines Umbaus, wenn er wörtlich sagt: „Es warten noch viele Probleme. Es gilt Abschied zu nehmen von vielem, was lieb geworden ist. Der Abschied soll aber auch ein Aufbruch sein." Die Vorgaben der Steuerungsgruppe der Diözesanreform unter Vorsitz Schönborns im Detail:

  • Mehrere Priester sind aktiv in einer Pfarre eingesetzt. „Sinnvollerweise mindestens drei bis fünf", wie es wörtlich in dem am Mittwoch präsentierten Papier heißt. Einer der Priester ist als Pfarrer dem Erzbischof letztverantwortlich.
  • Die Leitung der Pfarre wird prinzipiell gemeinschaftlich wahrgenommen - und zwar von Priestern wie Laien. Es gilt „partizipative Führung mit klarer Aufgabenzuteilung" - was aber im wesentlichen auch schon die Aufgabe der derzeit bestehenden Pfarrgemeinderäte ist.
  • „Die Filialgemeinden (katholische Gemeinden vor Ort, die einer größeren Pfarre angehören) werden in Gemeinschaft von Getauften und Gefirmten ehrenamtlich geleitet." Das heißt übersetzt: Laien sollen diese Gemeinden leiten.
  • Alle kirchlichen Aktivitäten sollen stärker missionarisch ausgerichtet werden - immerhin ist das der Grundauftrag der katholischen Kirche, wie Schönborn erinnerte, der hinzufügte: „Mission first."
  • Möglichst viele sollen am Sonntag den Pfarrgottesdienst (auch in einer örtlich entfernteren Kirche) besuchen. Daneben werden aber in Filialgemeinden auch Wortgottesdienste ohne Priester gefeiert.

Wie geht es weiter?
Kardinal Schönborn betonte ausdrücklich, dass mit der Reform die Gemeinden nicht abgeschafft werden. Im Gegenteil: „In den neuen Pfarren sollen sich mehr und lebendigere Gemeinden entfalten können." Durch den Wegfall administrativer Tätigkeiten soll die Kirche gleichfalls wieder missionarischer werden und den Menschen an ihren jeweiligen Lebensorten nahe sein, so Schönborn. Die Grundstruktur soll der Erzdiözese, allen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern nahe gebracht. In den einzelnen Dekanaten (Ebene über den Pfarren) sollen Modelle gesucht werden, die Vorgaben der Zentrale zu erfüllen. Die Pfarre Patzmannsdorf / Patzenthal ist schon am Weg ...

Weitere Informationen:

>>> Der Übergang in der Pfarre Patzmannsdorf / Patzenthal
>>> Der Auftrag: Menschen, die mitarbeiten wollen ...

>>> Der Veränderungsprozess der Erzdiözese im Detail (http://www.themakirche.at/) ...
>>> Neue Pfarrorganisation bis 2022 (http://www.erzdioezese-wien.at/) ...

>>>Laieninitiative: Aus der Sorge über den immer kritischer werdenden Priestermangel und den dadurch möglicherweise entstehenden Seelsorgenotstand haben sich Angehörige der österreichischen Katholischen Kirche zu Beginn des Jahres 2009 an die Öffentlichkeit gewandt. Hier kann man sich ein Bild davon machen.

 

>>> NOE ORF.AT - Weniger, dafür größere Pfarren:
24. September 2012: In Zukunft sollen mehrere Priester in einer Pfarre zuständig sein. Wie eine solche Zusammenarbeit aussehen könnte, zeigt sich schon jetzt in und rund um Laa an der Thaya im Weinviertel. Dort leben und arbeiten drei Priester von insgesamt sieben Pfarrgemeinden bereits seit fast zehn Jahren zusammen. In der Erzdiözese Wien heißt es umdenken, denn aufgrund der Personalsituation will Kardinal Christoph Schönborn die Schaffung größerer Pfarren umsetzen. Im nördlichen Weinviertel in Laa an der Thaya ist das schon längst passiert. Pfarrer und ehrenamtliche Mitarbeiter arbeiten dort eng zusammen, das hat auch das Erntedankfest gezeigt. Dass über Pfarrgrenzen hinaus kooperiert wird, hat noch einen zusätzlichen Grund: Priester leben in einer Wohngemeinschaft
Die drei Priester der insgesamt sieben Pfarren verbindet nicht nur die gemeinsame Arbeit, sondern auch eine Wohngemeinschaft, in der sie zusammenleben und arbeiten: „Ich persönlich profitiere sehr stark davon, dass wir uns gemeinsam austauschen können,gemeinsam Dinge vorbereiten, einander Ideen liefern, miteinander auch leben, gemeinsames Gebetsleben haben, wir haben auch eine Hausgemeinsacht“, sagte Pfarrer Johannes Cornaro. Wie sich die Strukturreform konkret auf die Pfarren auswirken wird, bleibt noch offen. Denn auch wenn in und rund um Laa an der Thaya schon viel davon umgesetzt worden ist, wie sich die Reform auch auf die kleinen Pfarren auswirken wird, weiß keiner so genau. Deren Anzahl soll jedenfalls drastisch reduziert werden.

>>> Bezirksblätter Hollabrunn - Personalmangel in den Pfarren:
18. September 2012: Der neue Bischofsvikar für das Weinviertel, Stefan Turnovsky, schließt Zusammenlegungen von Pfarrgemeinden nicht aus.
Weil es zu wenig Pfarrer gibt, wird über die Auflassung von Gotteshäusern nachgedacht. Wie die Bezirksblätter bereits im Jänner berichteten, wälzt die Erzdiözese Wien, zu der die meisten Pfarren im Bezirk gehören, Pläne, die Zahl der Pfarren deutlich zu verringern. Damals sagte Michael Prüller, der Pressesprecher der Erzdiözese: „Es läuft derzeit ein Reformprozess, und bis zum Sommer wird es entsprechende Vorgaben für die einzelnen Dekanate geben. Wie die Neugestaltung aussieht, soll dann jeweils in der betroffenen Region erarbeitet werden. Bis zum Herbst werden wir Konkretes wissen.“
Inzwischen scheint sich der Prozess aber deutlich verlang-samt zu haben. Dechant Franz Pfeifer, Pfarrer von Hollabrunn: „Wir hatten im Juni ein Treffen aller Dechanten der Erzdiözese in Wien, und es wird in der Diözese Strukturveränderungen geben. Aber das wird noch dauern, die Maßnahmen sind für das Jahr 2016 angelegt.“ Laut Pfeifer wird aber eine Zusammenlegung von Pfarren schon aus Personalmangel unausweichlich sein und ist zum Teil im Bezirk auch schon gelebte Realität. „Wir haben in unserem Dekanat nur noch einen Pfarrer, der nur eine Pfarre betreut, nämlich in Aspersdorf. Sechs Pfarrer betreuen jeweils zwei Pfarren, ich selbst drei und in Göllersdorf sind ein Pfarrer und ein Kaplan für fünf Pfarren zuständig. Daran merkt man ja, dass Not am Mann ist.“ Und Nachwuchs für Kirchenämter ist laut Dechant Pfeifer nicht zu kriegen. Das Dekanat Hollabrunn sucht zum Beispiel dringend, aber bisher ohne Erfolg, PastoralassistentInnen u. Jugend- und Studentenseelsorger für die rund 5.000 Schüler in der Bezirkshauptstadt.
Geistliche aus dem Ausland in heimischen Kirchen einzusetzen, wie dies öfter geschieht, sieht Dechant Pfeifer auch nicht als optimale Lösung: „Seelsorge mit fremdsprachigen Priestern ist ein wenig schwierig. Aber auch wenn sie unsere Sprache gut sprechen, vermitteln sie manchmal ein Priesterbild, das nicht dem unseren entspricht. Dadurch kommt es zu Problemen in den betroffenen Pfarrgemeinden. Im Gegensatz zu manchen anderen Ländern richtet sich die österreichische Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil. Und das kann man nicht mehr so leicht zurückdrehen, auch wenn das manche wollen.“