Eine Welt ohne Hunger

13. September 2019  - Pfarrhof Patzmannsdorf, Großer Saal: Im Rahmen der Treffen vom "Forum Jordan" (ehemalige Mitarbeiter bzw. Studenten des Studentenheimes der Katholischen Hochschulgemeinde in der Peter Jordanstraße treffen sich seit Jahren regelmäßig um über die verschiedensten Themen zu diskutieren) kommt Dr. Franz Fischler nach Patzmannsdorf und spricht über dieses Thema. Mag. Peter Krafka macht die Moderation und Organisation.
 

Eigentlich gibt es genug zu essen für alle Menschen auf der Erde. Eigentlich. Doch wie steht es mit der Ernährungssicherheit und damit kombiniert mit Armutsgefährdung? Und welche Rolle spielt dabei Geld? Der ehemalige österreichische Landwirtschaftsminister und EU-Kommissar Franz Fischler gibt mit seinem Vortrag "Eine Welt frei von Hunger" Einblick über Fakten, Hintergründe und nötige Wege.

Die Welternährungssicherung ist fundamental, die internationale Völkergemeinschaft hat sich zur Aufgabe gemacht bis zum Jahr 2030 siebzehn Ziele zu erreichen, Ziel Nummer zwei ist die Ausrottung des Hungers. Ein Lösungsansatz dazu ist, die Armut um mindestens 50 % zu reduzieren, da Armut der Zwillingsbruder des Hungers ist. Dazu gehört eine Implementierung von sozialen Schutzsystemen die bis 2030 auch die Armen und Benachteiligten inkludieren. Ebenso gehören dazu Jobs, und das sind in ärmeren Ländern meist Berufe in der Agrarlandschaft. Das heißt die Menschen in den Entwicklungsländern brauchen Bodeneigentum, Ressourcen und know-how. Dieses Bildungspaket im Bezug auf die Agrarwirtschaft würde die Aufklärung über Maßnahmen gegen Dürre, Ernteversicherungen, Reduktion der Preisvolatilität und Verbote gegen schädliche Spekulationsformen beinhalten.

Es gibt Hunger trotz Überfluss, in Europa und den USA ist Fettleibigkeit ein schwerwiegendes Problem. Essen wird in Europa aber auch weggeworfen, in Dritte-Welt-Länder hingegen rühren die Verluste in der Lebensmittelindustrie, welche weltweit 56% betragen, fast nur durch Ernteverluste. Eine Statistik zeigt, dass wenn sich die ganze Welt so ernähren würde wie wir Europäer, würde das Zwei-Grad-Ziel dadurch allein in 50 Jahren ausgeschöpft sein. Ein Lösung gegen die Verluste in den Dritte-Welt-Ländern wäre einerseits die Lebensmittelketten zu stärken, dies ergäbe weniger Ernteverluste. Ebenso müsste man bessere Lagerungen und neue Finanzierungsquellen für die Entwicklungszusammenarbeit finden. Eine weltweite Ressourcensteuer müsste eingeführt und Land Grabbing, speziell in Afrika, gestoppt werden. Land Grabbing heißt, dass Private InvestorInnen aus Industrie- und Schwellenländern und staatliche Akteure sich durch sogenannte „Auslandsdirektinvestitionen“ und mittels langfristiger Pacht- oder Kaufverträge große Agrarflächen in Entwicklungsländern sichern. Dort werden vorrangig Nahrungsmittel oder Energiepflanzen für den Export angebaut, die der Ernährungs- und Energiesicherung der Investorländer dienen. Das muss durch internationale Regeln gestoppt werden und den Menschen in den Entwicklungsländern muss die Komplexität dieses Land Grabbings verständlich gemacht werden, was ohne Bildung und Forschung nicht möglich ist. Denn wie auch Reiner Klanglos und Wolfgang Lutz in ihrem Buch „Wer überlebt?“ schreiben: „Nicht Klima, nicht Rohstoffe, sondern Bildung ist der Schlüsselfaktor für das Überleben der Menschen.“

Beispiel Öko-Pioniere Kaindorf: Deutlich weniger CO2, alternative Energien, Bewusstseinsbildung

Klimaforscher sind sich darüber einig, dass im Humusaufbau eine große Chance für das Weltklima liegt, denn in den Böden kann Kohlenstoff langfristig gebunden werden; ein größerer Humusanteil macht die Böden auch widerstandsfähiger gegenüber Trockenperioden und Starkniederschlägen.

Weltweit zeigten erfolgreiche Forschungsprojekte Lösungsmöglichkeiten auf - und in der „Ökoregion Kaindorf“ im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld werden diese Möglichkeiten seit 2007 praktisch umgesetzt. Die drei Gemeinden Ebersdorf, Hartl und Kaindorf schlossen sich zusammen, um einen ökologischen und nachhaltigen Weg und in Richtung CO2-Neutralität zu gehen. Als gemeinsames Ziel wurde die „Verbindung von Wirtschaftlichkeit mit ökologischen und sozialen Aspekten durch vorausschauendes und verantwortungsvolles Handeln“ definiert - mehr als 250 Projekte wurden so seit 2007 für den Umwelt- und Klimaschutz verwirklicht, die Energieversorgung der gesamten Region auf Ökostrom umgestellt und die Gemeinden zur ersten Plastiksackerl-freien Region Österreichs gemacht.

Ein Kernthema und mittlerweile das weitreichendste Projekt der „Ökoregion Kaindorf“ ist aber das Humusaufbauprogramm: Mittlerweile beteiligen sich etwa 260 Bauern an dem Projekt, ca. 3.000 Hektar Ackerfläche werden damit nachhaltig bewirtschaftet. Für den erfolgreichen Humusaufbau werden u. a. Kompost- und Gründüngung, eine minimale Bodenbearbeitung, Reduktion des Chemieeinsatzes, eine Dauerbegrünung und der Einsatz von Fruchtfolgen, Mischkulturen und Untersaaten empfohlen. Durch eine Änderung der Bewirtschaftungsweise von Ackerflächen kann so im Boden Humus aufgebaut sowie langfristig stabilisiert werden und nicht als CO2 in die Atmosphäre entweichen.

Regelmäßige internationale Fachtagungen führten dazu, dass die „Ökoregion Kaindorf“ zu einem „Humus-Kompetenzzentrum“ Europas wurde; darüber hinaus wird das Humusaufbauprogramm durch einen regionalen Zertifikate-Handel unterstützt, der die lokale Wirtschaft mit ins Boot nimmt und ihr die Möglichkeit gibt, möglichst CO2-neutral zu werden.

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